Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie KOKON

Wissensbasis: Wechselwirkungen von Pflanzenzubereitungen mit Arzneistoffen der Krebstherapie

Das Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie KOKON wurde als deutschlandweites, multidisziplinäres Verbundprojekt in zwei Förderphasen, 2012 bis 2015 und 2016 bis 2020, von der Stiftung Deutsche Krebshilfe im Rahmen des Förderungsschwerpunkt-Programmes ‚Komplementärmedizin in der Onkologie‘ gefördert.

Mit der Initiierung dieses Förderungsschwerpunkt-Programmes hatte die Deutsche Krebshilfe den Impuls gegeben, das Wissen über Komplementärmedizin in der Krebstherapie und über die gegenwärtige Versorgungspraxis in Deutschland zu sammeln und wissenschaftlich zu bewerten.

Teilprojekte in den jeweiligen Förderphasen beschäftigten sich mit der Erfassung und Bewertung des Wechselwirkungspotenzials speziell von pflanzlichen Zubereitungen. In der ersten Förderphase war dieser Aspekt eingebettet in ein Arbeitspaket zur Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit komplementärmedizinischer Verfahren und wurde in enger Abstimmung mit Dr. med. Markus Horneber und der Arbeitsgruppe Supportive und Integrative Onkologie (AGSIO) am Klinikum Nürnberg bearbeitet. In der zweiten Förderphase war Prof. Dr. Thomas Efferth vom Institut für Pharmazeutische und Biomedizinische Wissenschaften (IPBW) der Johannes Gutenberg Universität Mainz Koprojektleiter.

Zentrales Anliegen dieser Teilprojekte war es, ein Bewertungssystem für das Wechselwirkungspotenzial von bei Krebserkrankungen verwendeten pflanzlichen Zubereitungen zu entwickeln und die Wahrscheinlichkeit für solche Wechselwirkungen einfach und schnell zugänglich darzustellen.

Um dies fundiert darstellen zu können, hat das Projektteam Arbeitsschritte durchgeführt, die der international anerkannten Verfahrensweise der Erkenntnisgewinnung aus Datenbanken (Knowledge Discovery in Databases) folgen:

  • Systematische Charakterisierungen von Pflanzenzubereitungen und onkologischen Arzneistoffen
  • Systematische Recherche und Dokumentation von Untersuchungen zu Wechselwirkungen zwischen Pflanzenzubereitungen und in der onkologischen Therapie eingesetzten Arzneistoffen oder für die Verstoffwechselung von solchen Arzneistoffen relevanten Enzymsystemen
  • Strukturierte und einheitliche Datenerfassung der für die Wechselwirkung relevanten Detailinformationen
  • Entwicklung eines Bewertungsverfahrens zur Klassifizierung des Wechselwirkungspotenzials
  • Entwicklung einer Darstellungsform für die Klassifizierung der Wahrscheinlichkeit von Wechselwirkungen

Um die Bewertung des Wechselwirkungspotenzials der Pflanzenzubereitungen für Fachkreise transparent, einfach zugänglich und übersichtlich darzustellen, wurde ein Bewertungsalgorithmus auf der Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes entwickelt. Durch die Anwendung dieses Algorithmus wird eine Wechselwirkungsmatrix dynamisch erzeugt, die das Wechselwirkungspotentzial paarweise zwischen onkologischen Arzneistoffen oder Arzneistoffen der Supportivtherapie und den  Pflanzenzubereitungen farblich kodiert darstellt.

Es gibt insgesamt sieben farblich kodierte Stufen. Liegen ausreichende Ergebnisse aus Wechselwirkungsstudien vor, kann das Wechselwirkungspotenzial in fünf Stufen von vernachlässigbar bis sehr hoch abgeschätzt werden. Wenn die zugrundeliegenden Untersuchungen keine klinisch relevante Abschätzung zulassen, wir dies als gesonderte Stufe angezeigt. Eine siebte Stufe gibt an, wenn zu einer bestimmten Konstellation überhaupt keine Untersuchungen durchgeführt wurden.

Eine aufrufbare Detailansicht stellt Teilinformationen der Untersuchungen dar, die für die Einschätzung der Wahrschlichkeit für Wechselwirkungen der jeweiligen Konstellation zugrunde gelegt wurden (Abb. 1).

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Wechselwirkungspotenzials von pflanzlichen Arzneimitteln mit onkologischen Arzneistoffen. Der der Interaktionsmatrix zugrunde liegende Algorithmus greift auf Daten der relationalen Datenbank zu und generiert daraus Wahrscheinlichkeitsstufen für Wechselwirkungen zwischen pflanzlichen Arzneimitteln und onkologischen Arzneistoffen. Zu jedem Matrixfeld kann eine Detailansicht aufgerufen werden, in der die wichtigsten Informationen zu denjenigen Untersuchungen zusammengestellt sind, die für die Einschätzung des Wechselwirkungspotenzials zugrunde gelegt wurden.

Das Projekt legt damit eine wissenschaftlich fundierte, systematische, transparente und strukturierte Bewertung des Wechselwirkungspotenzials pflanzlicher Zubereitungen mit onkologischen Medikamenten vor.

Ziemann, J., Lendeckel, A., Müller, S., Horneber, M., Ritter, C.A. (2019). "Herb-drug interactions: a novel algorithm-assisted information system for pharmacokinetic drug interactions with herbal supplements in cancer treatment." Eur J Clin Pharmacol 75(9): 1237-1248.