Wirkstoffsynthese und Pharmazeutische Analytik

Molekulare Werkzeuge für die Pharmaforschung

In der Arbeitsgruppe Pharmazeutische/Medizinische Chemie I werden Projekte aus dem Fachgebiet Medizinische Chemie und Pharmazeutische Analytik bearbeitet.

Unsere Arbeiten aus dem Bereich Medizinische Chemie betreffen aktuell die Abwandlung zu toxischer Arzneistoffe wie Flupirtin und Retigabin und die Bereitstellung von „multipurpose Screening Compounds“ sowie maßgeschneiderten Modulatoren von Enzymen der epigenetischen Genregulation. Neben organischer Synthese neuer Moleküle werden Strukturermittlung, Struktursicherung und Reinheitskontrolle von Syntheseprodukten als Voraussetzung für die Bereitstellung von Testsubstanzen für das Wirkstoffscreening bearbeitet. In iterativen Zyklen aus Testung und Synthese werden Struktur-Aktivitätsbeziehungen und Struktur-Toxizitätsbeziehungen abgeleitet um Substanzen mit einem günstigen Verhältnis von Aktivität zu Toxizität aufzufinden. Im Einzelnen werden Sammlungen von sp3-reichen Testsubstanzen synthetisiert, charakterisiert und für die biologische Evaluation an Kooperationspartner übergeben. Kürzlich konnten wir ein Flupirtinanalogon publizieren, bei dem der therapeutische Quotient von 81 auf über 25.000 gesteigert werden konnte und gleichzeitig der maximale Kaliumkanal-öffnende Effekt an spannungsabhängigen KV7.2/7.3-Kanälen auf 130 % des Vergleichs Flupirtin erhöht wurde. Wegen fehlender Kristallstrukturdaten von KV7.2/7.3-Kanälen musste dabei ein Liganden-basierter Ansatz gewählt werden. Kristallstrukturen von unseren neuen Lysindesmethylaseinhibitoren konnten dagegen von der Arbeitsgruppe von Manfred Weiss am Bessy in Berlin bereits gelöst und in der Protein Data Bank hinterlegt werden.

Bei den analytischen Arbeiten stand in den letzten Jahren neben Anwendungen der NIR-Spektroskopie in Forschung und Lehre die Trennung, Identifizierung und Quantifizierung von Arzneistoffmetaboliten mittels Fluidchromatographie mit flüssigem Kohlendioxid (Supercritical fluid chromatography, SFC) im Vordergrund. Durch online-Kopplung von Festphasen-Extraktion mit überkritischem CO2 (Supercritical fluid extraction, SFE) konnten online-SFE-SFC-MS-Methoden entwickelt werden, die eine besonders schnelle und umweltverträgliche Reihenuntersuchung von Ketamin-Metaboliten aus Probandenurin ermöglichen. Während der anästhetische Effekt von Ketamin einer NMDA-Rezeptorblockade zugeordnet wird, die für das S-Enatiomer 4mal stärker ausgeprägt ist als für R-Ketamin, sind die Grundlagen der antidepressiven Wirkung noch unklar. Unsere Arbeiten sollen dazu beitragen, den Einsatz des Anästhetikums Ketamin zur Behandlung schwerer Depressionen auf eine rationale Grundlage zu stellen. Bisher ist unklar, ob Ketamin selbst, wenn ja welches Enantiomer, oder seine Metaboliten für die klinisch nutzbare antidepressive Nebenwirkung von Ketamin-haltigen Arzneimitteln verantwortlich ist oder sind und warum Ketamin nur bei ca. der Hälfte der Patienten gute Wirksamkeit bei diesem off-Label-Gebrauch aufweist. Ein für die Indikationen therapieresistente Depressionen sowie schweren Depressionen mit erhöhtem Suizidrisiko entwickeltes S-Ketamin-Nasenspray konnte in klinischen Studien nur eingeschränkt überzeugen. Vermutlich wäre eine Zubereitung mit racemischem Ketamin hier die bessere Wahl gewesen. Da unsere Methoden gleichzeitig chirale Trennungen saurer und basischer Analyten in einem Chromatographielauf zulassen und sogar die Aufarbeitung durch Flüssig-flüssig-Extraktion verzichtbar machen, können bisher übersehene Metabolisierungsmuster sowie Proben aus größeren Patientenkollektiven untersucht werden. So könnte ein Zusammenhang zwischen Therapieversagern und individueller Metabolisierung gesucht werden und eine Patientenstratifizierung ermöglicht werden.