Molekulare Mechanismen mariner Symbiosen

Alle höheren Lebewesen sind mit Mikroorganismen vergesellschaftet. Das Zusammenleben dieser ungleichen Partner und ihre Wirt-Mikroben-Interaktionen prägen das Leben auf der Erde entscheidend. Genaue Kenntnis mikrobieller Physiologie sowie molekularer Interaktionsmechanismen sind daher Grundvoraussetzung für das Verständnis aller biologischen Prozesse. Bakterielle Symbionten übernehmen vielfältige Funktionen: Sie versorgen ihre Wirte mit Nährstoffen, erschließen ihnen unwirtliche Lebensräume oder befähigen sie zur Produktion antimikrobieller oder bioaktiver Wirkstoffe. Viele dieser Vorgänge sind jedoch bisher ungenügend verstanden. Um molekulare Mechanismen symbiotischer Gemeinschaften aufzuklären, untersuchen wir daher marine Wirbellose – Röhrenwürmer und Muscheln – und ihre bakteriellen Symbionten mit (meta-)proteomischen Methoden.

Thiotrophe Symbiosen

Proteomanalyse des Endosymbionten von Riftia pachyptila
Abb. 1. Physiologische Proteomanalyse des bakteriellen Endosymbionten des Tiefseeröhrenwurms Riftia pachyptila

Stark schwefelhaltige Lebensräume sind toxisch für die Mehrzahl unserer Tier- und Pflanzenarten. Dennoch finden wir z. B. an heißen Schwefelquellen (Hydrothermalquellen) der Tiefsee oder in schwefelwasserstoffreichen Sedimenten tropischer Seegraswiesen wirbellose Tiere, die an die dort herrschenden Bedingungen hervorragend angepasst sind. Diese Anpassung gelingt durch hochspezialisierte Symbiosen mit Schwefel-abbauenden (thiotrophen) Bakterien. Der Tiefsee-Röhrenwurm Riftia pachyptila (Abb. 1) beispielsweise ist mit bis zu 1,5 m Körperlänge ein imposanter Vertreter der vielfältigen Fauna an Hydrothermalquellen des östlichen Pazifik. Erwachsene Tiere besitzen jedoch kein Verdauungssystem, sondern sind vollständig auf bakterielle Symbionten in ihrem Innern angewiesen, die ihre Wirte mit Nahrung versorgen. Die Bakterien sind in der Lage, mithilfe von Schwefelwasserstoff Energie zu erzeugen und diese zur CO2-Fixierung zu nutzen. Die daraus entstehenden organischen Verbindungen ernähren nicht nur die Symbionten, sondern auch den Wirt. Ähnliche Wirts-Mikroben-Lebensgemeinschaften beobachten wir bei Tiefsee-Muscheln der Gattung Bathymodiolus sowie bei tropischen Flachwasser-Muscheln der Familie Lucinidae.

Mittels hochaufgelöster Proteomanalysen konnten wir im Rahmen mehrerer DFG-Projekte die bisher nicht kultivierbaren Riftia-Symbionten sowie auch ihre Röhrenwurm-Wirte umfassend charakterisieren und so wichtige Erkenntnisse über die Physiologie der Symbiose und fundamentale Wirt-Symbionten-Interaktionen gewinnen [1-3]. Aus dem EU-geförderten Symbiomics-Projekt ergaben sich in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie Bremen zahlreiche bisher unbekannte Einblicke in physiologische Interaktionen zwischen Bathymodiolus-Symbionten und ihren Wirten, sowie in Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen pazifischen und atlantischen Bathymodiolus-Arten [4, 5]. Gemeinsam mit Kollegen der Université des Antilles auf Guadeloupe konnten wir zeigen, dass thiotrophe Luciniden-Symbionten nicht nur Schwefel detoxifizieren und CO2 fixieren können, sondern dass sie darüber hinaus auch in der Lage sind, molekularen Stickstoff aus der Luft zu binden – und somit ihrem Wirt dreifach nützlich sind [6].

Verantwortliche Mitarbeiter:

Dr. Stephanie Markert

Heterotrophe Symbiosen

Schiffsbohrwürmer sind holzbohrende Muscheln, die in marinen Ökosystemen aller Weltmeere verbreitet sind. Sie sind von immenser wirtschaftlicher Bedeutung, da sie Holzkonstruktionen wie Schiffe, Buhnen und Kai-Anlagen zerstören. Die Mollusken leben in enger Symbiose mit Stickstoff-fixierenden Bakterien, die in den Kiemen der Tiere zu finden sind. Unser Wissen über die Physiologie der bakteriellen Symbionten und ihre Rolle in dieser Symbiose ist bisher sehr begrenzt. Im Rahmen einer von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Studie konnten wir aus in der Ostsee siedelnden Vertretern des Schiffsbohrwurmes Teredo navalis LINNAEUS, 1758, einen bakteriellen Symbionten der Gattung Teredinibacter isolieren und in Kooperation mit dem Göttingen Genomics Laboratory (G2L) sowie der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH (DSMZ) das Genom dieser neuen Spezies sequenzieren. Auf Basis dieser Genominformationen beschäftigen wir uns derzeit intensiv mit physiologischen Proteomprofilen, um die Symbiose, und speziell die Fähigkeit des Symbionten Lignocellulose abzubauen, besser zu verstehen. Darüber hinaus untersuchen wir in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e. V. Hans-Knöll-Institut (HKI) Jena das pharmazeutisch relevante Potential unseres Schiffsbohrwurm-Symbionten zur Produktion von Sekundärmetaboliten.

Verantwortliche Mitarbeiter:

Stefan E. Heiden, Christian Schmidt

 

Literatur:

  1. Gardebrecht A, Markert S, Sievert SM, Felbeck H, Thürmer A, Albrecht D, Wollherr A, Kabisch J, Le Bris N, Lehmann R, Daniel R, Liesegang H, Hecker M, Schweder T. 2012. Physiological homogeneity among the endosymbionts of Riftia pachyptila and Tevnia jerichonana revealed by proteogenomics. ISME J. 6(4):766-76.
  2. Markert S, Arndt C, Felbeck H, Becher D, Sievert SM, Hügler M, Albrecht D, Robidart J, Bench S, Feldman RA, Hecker M, Schweder T. 2007. Physiological Proteomics of the Uncultured Endosymbiont of Riftia pachyptila. Science. 315(5809):247-50.
  3. Markert S, Gardebrecht A, Felbeck H, Sievert SM, Klose J, Becher D, Albrecht D, Thürmer A, Daniel R, Kleiner M, Hecker M, Schweder T. 2011. Status quo in physiological proteomics of the uncultured Riftia pachyptila endosymbiont. Proteomics. 11(15):3106-17.
  4. Ponnudurai R, Kleiner M, Sayavedra L, Petersen JM, Moche M, Otto A, Becher D, Takeuchi T, Satoh N, Dubilier N, Schweder T, Markert S. 2017. Metabolic and physiological interdependencies in the Bathymodiolus azoricus symbiosis. ISME J. 11(2):463-477.
  5. Ponnudurai R, Sayavedra L, Kleiner M, Heiden SE, Thürmer A, Felbeck H, Schlüter R, Sievert SM, Daniel R, Schweder T, Markert S. 2017. Genome sequence of the sulfur-oxidizing Bathymodiolus thermophilus gill endosymbiont. Stand Genomic Sci. 12:50.
  6. König S, Gros O, Heiden SE, Hinzke T, Thürmer A, Poehlein A, Meyer S, Vatin M, Mbéguié-A-Mbéguié D, Tocny J, Ponnudurai R, Daniel R, Becher D, Schweder T, Markert S. 2016. Nitrogen fixation in a chemoautotrophic lucinid symbiosis. Nat Microbiol. 2:16193.